Ich weiche dann mal lieber aus ...

In der Südpfalz tobt ein Streit um den geplanten Bienwald-Radweg. Zwischen Steinfeld und Scheibenhardt entlang der L 545 soll er verlaufen. Länge: rund elf Kilometer. Kosten: etwa 4,3 Millionen Euro. Wo genau liegt eigentlich das Problem? Unser Reporter ist die umstrittene Strecke mal selbst abgefahren.

Von Philipp Jung

Ich weiche dann mal lieber ausSteinfeld. Vielen Leuten ist es an diesem Donnerstag im Juni vermutlich entschieden zu warm für eine Radtour. Aber egal: Die Strecke führt ja fast nur durch den Wald und verspricht daher Schatten. Mein Vater begleitet mich auf der Tour durch den Bienwald. Unser Auto mit dem Fahrradträger bleibt am Bahnhof in Steinfeld (Kreis Südliche Weinstraße) stehen. Ziemlich genau hier soll der noch nicht gebaute Radweg starten und bis in die Gemeinde Scheibenhardt führen, einen Ort im Kreis Germersheim, durch den die deutsch-französische Grenze führt. Die Tücken der Geraden Wer sich vom Steinfelder Bahnhof auf die betreffende Strecke begibt, versteht sofort, wieso hier von einem schmalen Sträßchen die Rede ist: Der eine oder andere würde von einem Feldweg ausgehen, wären da nicht noch die weißen Linien links und rechts.

Allerdings begegnet einem auf halber Strecke sogar eine noch schmälere Straße, nämlich die Abzweigung nach Schaidt, ein Ortsbezirk von Wörth. Insgesamt ist die Straße zwischen Steinfeld und Scheibenhardt flach, Hügel gibt es keine. Besonders kurvenreich ist sie auch nicht. Die langen geraden Abschnitte haben allerdings ihre Tücken: Sie verleiten Autofahrer zu mehr Druck aufs Gaspedal. Genau das ist auch der Punkt, den die Planer des Radwegs anführen: Weil auf der schmalen Straße Fahrräder oft von Autos überholt werden, komme es nicht selten zu gefährlichen Verkehrssituationen, heißt es. Und ja: Diese Erfahrung mache ich auch. Eines der Fahrzeuge, die uns passieren, kommt mir etwas zu heftig von hinten angerauscht. Mein Vater ruft mir zu: „Was machst du denn jetzt?“ Was wohl? Ich weiche zur Seite aus und warte, bis das Auto vorbeigefahren ist. Ausweichmanöver scheinen auf diesem Abschnitt der L545 zum täglichen Geschäft zu gehören. Eine tiefe hellbraune Spur ohne Gras verläuft fast überall parallel zum Straßenrand. Es gibt quasi kein ebenerdiges Bankett. Auf unserer Tour begegnen wir Benno Vogel, der schon seit 40 Jahren in Scheibenhardt wohnt und gut jeden zweiten Tag per Rad auf der L545 unterwegs ist. Von brenzligen Verkehrssituationen auf dieser Strecke kann er ein Lied singen. Er hält den Bau des Bienwald-Radwegs für unbedingt notwendig. „Ich habe mich beim Ausweichen hier auch schon hingelegt“, berichtet er mit grimmigem Gesichtsausdruck. „Diese Straße ist einfach gefährlich“, lautet seine Einschätzung. Vogel versteht den neuerlichen Streit um den Radweg nicht, zumal das Projekt nicht neu sei. Diskussionen um einen Radweg durch den Bienwald gab es bereits vor dem Jahr 2000. Wie wär’s mit Rücksicht?Im Gegensatz zu Benno Vogel blickt eine Radfahrerin aus dem nicht weit entfernten Ort Kapsweyer etwas erstaunt auf die Frage, ob sie einen Radweg an dieser Straße für nötig empfindet: „Ich halte ihn nicht unbedingt für erforderlich, hier ist ja nicht so viel Verkehr.“ Nun ja, es kommt auf die Tageszeit an: Auf dem Hinweg um die Mittagszeit begegnen uns kaum Autos und Fahrräder. Auf dem Rückweg nach Steinfeld am Nachmittag ist schon deutlich mehr los. Beide Argumente erscheinen irgendwie nachvollziehbar. Natürlich kommt es auch darauf an, wie häufig man auf dieser Strecke unterwegs ist und sich damit einer potenziellen Gefahr aussetzt. Ich bin nach meinem Selbstversuch der Ansicht: Wenn jeder ein bisschen Rücksicht auf den anderen nimmt, können Auto- und Radfahrer auf dieser Straße friedlich koexistieren, und es muss kein Radweg parallel zur Straße gebaut werden, für den jede Menge Bäume gefällt werden müssten. Dazu zählt aber nicht nur, dass sich Autofahrer auf der engen Straße gegenseitig Platz machen müssen, was ich an diesem Tag mehrmals beobachte. Sondern auch, dass Radfahrer von Autos langsam und mit möglichst viel Abstand überholt werden. Da auch Busse und Wohnmobile auf der Strecke unterwegs sind, ist Letzteres wohl nicht immer möglich. Und so ehrlich muss man sein: Gegenseitige Rücksichtnahme ist im Straßenverkehr nicht allgegenwärtig. Viele mischen mit Zu dem Radwegprojekt gibt es etliche unterschiedliche Positionen. Das Fällen der Bäume am Straßenrand ist ein großer Kritikpunkt, den etwa die Bürgerinitiative (BI) Bienwald anbringt: Die BI hat sich deshalb dafür ausgesprochen, dass Radfahrer anstatt der L545 auch umliegende, bereits vorhandene, Forstwege nutzen könnten. Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) hingegen hat den Vorschlag eingebracht, die Landstraße in eine Fahrradstraße umzufunktionieren. Für den Bau des Radwegs sind wiederum die Betreiber des Gasthofs Bienwaldmühle. Von Steinfeld aus gelangt man nach etwa sieben Kilometern in den gleichnamigen Ortsteil von Scheibenhardt, wo sich die Gaststätte befindet. Auf deren Parkplatz stehen an diesem Donnerstag jede Menge Autos. Der Fahrradstraßen-Plan des ADFC sieht zwar vor, dass die Bienwaldmühle mit dem Auto erreichbar bleiben soll, dennoch haben die Betreiber in einer Stellungnahme deutlich gemacht, dass sie diesen Plan nicht gut finden. Sie sorgen sich um ihre wirtschaftliche Perspektive. Außerdem sehen auch sie die Strecke als gefährlich für Radfahrer an.

 

Gerichtstermin steht

Da die BI Bienwald Klage gegen den geplanten Radweg eingereicht hat, steht einer tatsächlichen Umsetzung momentan noch eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz im Weg. Auf RHEINPFALZ-Anfrage hat das Gericht mitgeteilt, dass in dem Fall noch nichts entschieden wurde. Ein Verhandlungstermin sei für Mittwoch, 4. August, angesetzt.

Quelle: RHEINPFALZ, Ausgabe " Germersheimer Rundschau" vom 06.07.2021