Radler sollen in Kurve Straße queren

Die BI Bienwald klagt gegen den Bienwaldradweg entlang der L 545. Sie schlägt einen Weg durch den Bienwald vor. Die Frage, warum diese Variante ausgeschieden ist, wird in den Planungsunterlagen nicht beantwortet. Außerdem: Der neue Radweg soll die Verkehrssicherheit erhöhen – aber das Gegenteil könnte der Fall sein.

Von Andreas Lapos

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Scheibenhardt/Steinfeld. Der zeitliche Zusammenhang ist zufällig, lenkt aber erneut den Blick auf die Pläne der Landesregierung für einen Radweg entlang der L 545 zwischen Steinfeld und Scheibenhardt über das Ausflugsziel Bienwaldmühle: Erst tritt die BI Bienwald mit einer Trasse auf Forstwegen im Bienwald als Alternative an die Öffentlichkeit. Kurz darauf stellt die Kreisverwaltung ein 142 Kilometer langes Radwegenetz durch den Bienwald vor. Es soll zusammen mit 229 Kilometern Wanderwege demnächst ausgewiesen werden. Das Land stellt dafür 260.000 Euro zur Verfügung.

 

Viel mehr Geld – rund 4,35 Millionen Euro – will das Land für den 10,6 Kilometer langen Radweg von Scheibenhardt nach Steinfeld ausgeben. Geplant wird der Radweg bereits seit 20 Jahren. Mittlerweile ist der letzte Planungsschritt erledigt, lediglich die Klage der BI Bienwald kann den Bau noch stoppen. Und die Bürgerinitiative klagt, weil es eine ihrer Meinung weitaus bessere Alternative gibt: Ein Radweg auf den bereits existierenden Forstwegen im Bienwald (wir berichteten). Entscheidung fiel schon in den 90er JahrenDie Frage, warum diese auf der Hand liegende Alternative nicht gewählt wurde, hat die RHEINPFALZ der Landesregierung gestellt. Die führt als Begründung zwei Punkte an:

– In Diskussionen bereits vor dem Jahr 2000 habe die Forstverwaltung nicht in der Lage gesehen, die Unterhaltung und die Verkehrssicherungspflicht eines auch auf Forstwegen geführten Radwegs zu übernehmen.

– Bereits vor dem Planungsbeginn 2007 herrschte Konsens unter den Beteiligten, dass eine Trasse entlang der Landesstraße naturschutzfachlich als günstiger einzustufen sei als die Nutzung von Waldwegen, die durch bisher von Menschen wenig aufgesuchte Bereiche im Bienwald führen.

Bei Nachfragen nach den Gründen für diese Entscheidung verweist das Verkehrsministerium auf die Planungsunterlagen. Die bleiben aber – zumindest soweit bisher einsehbar – eine Antwort schuldig. Schon im Erläuterungsbericht zur Planfeststellung aus dem Dezember 2011 verschwinden die genauen Gründe im Nebel der Geschichte. Dort heißt es: „In den 90-iger Jahren wurde bereits eine Linienführung über bestehende Forstwege parallel zur Landesstraße Nr. 545 aus forstwirtschaftlichen sowie landespflegerischen Gründen verworfen.“ 2002 sei dann eine Studie zum Ergebnis gekommen, dass einem Radweg parallel zur L 545 naturschutzfachlich „am wenigsten entgegensteht“. Aber warum muss entlang der L 545 überhaupt ein Radweg gebaut werden? – Weil die schmale Straße gefährlich ist, so die Begründung der Planer. Vor allem am Wochenende seien dort so viele Radfahrer unterwegs, „dass es beim Überholen des Öfteren zu gefährlichen Verkehrssituationen kommt. Dies stellt ein erhebliches Verkehrsrisiko für alle Verkehrsteilnehmer dar.“ Zahl der Autos zu hoch angesetzt?Stutzig macht hier zunächst die Zahl der Autos, die auf der schmalen Straße unterwegs sein soll: Die Verkehrsstärke belaufe sich auf „etwa 1295“ Autos in 24 Stunden, an Wochenenden wegen des Ausflugsverkehrs deutlich mehr, heißt es im Planfeststellungsbeschluss. Die Verkehrsstärkenkarte des Landesbetriebs Mobilität weist allerdings für die L 545 im fraglichen Bereich nur 471 Autos aus. Ein Blick in die Unfallstatistik der Polizei Wörth lässt die Zweifel weiter wachsen: 2017 und 2018 gab es auf der Strecke keine Unfälle mit Radfahrern, 2019 ist ein Radfahrer infolge einer Unaufmerksamkeit in den Graben gefahren, 2020 ist ein betrunkener Radfahrer mit 2 Promille vom Fahrrad gefallen. Der einzige Unfall im Bereich Scheibenhardt, bei dem ein Radfahrer von einem Auto angefahren wurde, passierte in Höhe des Müllbergs. Dort gibt es allerdings bereits einen Radweg neben der Straße. Ein Radfahrer, der auf ihm unterwegs war, wurde von einem abbiegenden Autofahrer übersehen. In „Bienwaldmühle“ wird Radweg unterbrochenBlickt man auf die Führung des Radwegs, darf man sich auch fragen, wie ernst es den Planern mit ihrer Absicht ist, die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Im Bereich der Bienwaldmühle gibt es nämlich keinen Radweg, dort soll Tempo 30 genügen. Zwar hatte die Verbandsgemeinde Hagenbach gefordert, dass der Radweg auch durch die kleine Ansiedlung führen sollte. Ihr wurde aber beschieden, dass dies „erheblichen zusätzlichen Grunderwerb erfordern und neue Betroffenheiten auslösen“ würde. Soll bedeuten: zu teuer und zu kompliziert. Als fatal kann es sich aber erweisen, dass auch die Forderung der Verbandsgemeinde nicht entsprochen wurde, am Ortseingang der „Bienwaldmühle“ aus Richtung Steinfeld eine Überquerungshilfe zu bauen. Dort endet nämlich der Radweg, der auf der nördlichen Straßenseite verläuft. Das bedeutet, dass Radfahrer aus Richtung Steinweiler die Straße überqueren müssen. Und zwar am Ende einer starken Rechtskurve, die für Autofahrer kaum einsehbar ist. Auch aus der Gegenrichtung liegt die fragliche Stelle hinter einer engen Kurve. Überquerungshilfe abgelehntDennoch halten die Radweg-Planer eine Überquerungshilfe „derzeit als nicht erforderlich“. Allerdings machen sie den Verkehrsbehörden die Auflage, die Stelle im Auge zu behalten und zu reagieren, wenn sich „aufgrund“ (!) des Bau des Radwegs dort „ein Unfallschwerpunkt entwickeln sollte“. Ein neuer Unfallschwerpunkt – das bedeutet Verletzte und möglicherweise Tote – könnte wirklich die direkte Folge des neuen Radwegs sein. Dessen scheinen sich die Planer des Landesbetriebs Mobilität (LBM) durchaus bewusst. Denn schon 2016 schrieb Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) auf eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Martin Brandl (CDU), dass nach Kenntnis des LBM sich auf der fraglichen Strecke zwischen 2013 und 2015 nur ein Unfall mit einem leicht verletzten Radfahrer ereignete. „Darüber hinaus nutzt nach den dem LBM vorliegenden Informationen ein Großteil der Radfahrer die Wald- und Wirtschaftswege im Bienwald.“

Quelle: RHEINPFALZ, Ausgabe " Germersheimer Rundschau" vom 04.03.2021