Im digitalen Niemandsland

von Christoph Demko

bienwaldmuehle ist digital abgehängt klMitten im Bienwald, umgeben von Natur pur, liegt Bienwaldmühle. Wer einmal dort war, wird bestätigen können, dass man kaum idyllischer wohnen kann als die rund 50 Menschen im Scheibenhardter Ortsteil. Ein großes Problem gibt es allerdings: Weder Internetanbindung noch Mobilfunknetz entsprechen auch nur annähernd den heutigen Anforderungen. Doch es gibt neue Hoffnung.
Der Jubel und die Euphorie in der kleinen Siedlung waren groß im Frühjahr 2017, nachdem die Ortsgemeinde Scheibenhardt mit der Schweizer Firma RMT einen Kooperationsvertrag abgeschlossen hatte. Demnach sollte nämlich Bienwaldmühle an das Breitbandnetz angeschlossen werden – und zwar sehr zeitnah. „Wenn wir ab Herbst mit dem Verlegen der Glasfaserkabel beginnen, könnte die Bienwaldmühle bis spätestens 2018 angeschlossen werden“, sagte RMT-Chef Rolf Tresch im April 2017 im Gemeinderat. Internet, und dann
auch noch schnelles – darauf hatten die Bewohner mehr als zehn Jahre warten müssen. So unverhofft diese Ankündigung damals kam, so schnell ist die Freude darüber auch wieder veryogen. Anwohnerin Christine Frenzel bringt es auf den Punkt: „Fast drei Jahre später herrscht große Ernüchterung: Die technische Infrastruktur hat sich weiter verschlechtert, nicht verbessert“. Sie ist mittlerweile verzweifelt, was das Thema Internetanbindung angeht. Der Ort habe sich zu einer kleinen Gemeinde mit vielen jungen Familien entwickelt, sagt sie. „So idyllisch das Örtchen auch gelegen ist, so groß sind für die Bewohner die alltäglichen Schwierigkeiten, um einen modernen Lebensstandard zu gewährleisten.“


Das Problem wird so deutlich wie nie
Neu ist das Problem nicht, doch während der Corona-Pandemie trat es deutlich wie nie zutage – und zwar für alle Bienwaldmühler. Ältere Personen, „für die das Internet ein wichtiges Medium ist, um den täglichen Bedarf wie Bankgeschäfte und Einkäufe sicherzustellen“, wie Frenzel sagt, konnten in der Phase des Lockdowns auch nicht wie andere per Skype Kontakt zur Familie halten. Auch die Kinder sind abgehängt, denn nach der Schulschließung war Homeschooling angesagt. Ohne Internet fehlt jedoch die Grundvoraussetzung. „Dateien können nicht geladen und erledigte Aufgaben nicht verschickt werden“, beklagt Frenzel. „An eine Präsenzveranstaltung via Zoom ist gar nicht
zu denken.“ Genauso in die Röhre schauen die Unternehmer, allen voran der Waldgasthof Bienwaldmühle. Laut Frenzel hat die Telekom zum April den ISDN-Anschluss abgeschaltet, sodass nur der analoge Telefonanschluss bleibt. Das Problem: Bargeldloses Bezahlen, wie es in der Gastronomie mittlerweile gang und gäbe ist, ist so kaum möglich. „Kartenterminals, die noch über eine analoge Telefonleitung funktionieren, wird es bald nicht mehr geben“, sagt Frenzel. Auch eine neues Kassensystem oder eine digitale Buchführung sind bei bestehendem Netzausbau utopisch. Auch die Landwirts-Familie sei benachteiligt. „Öffentliche Ausschreibungen erfolgen größtenteils digital“, erklärt Frenzel. Ohne Internet ist die Teilnahme daran nicht möglich. Das sei „ein großer wirtschaftlicher Nachteil“. Auch Frenzel selbst leidet unter dem fehlenden Netzanschluss. Die 37-Jährige arbeitet in Kaiserslautern, kann aber tageweise aus dem Homeoffice ihren Job erledigen – jedenfalls ist das von ihrem Arbeitgeber aus möglich. Weil aber Internet ein rares Gut ist in dem kleinen Örtchen, macht Frenzel das nur einen Tag in der Woche. „Mehr ist nicht drin“, sagt sie deutlich. Denn wenn überhaupt Internet in Bienwaldmühle zu bekommen ist, dann per Satellit. Die Datenmenge ist dabei jedoch begrenzt, der Preis sehr hoch. Während viele Eltern Arbeit und Kinderbetreuung dank Homeoffice stemmen konnten, war das für Frenzel nicht möglich. Am Ende zieht sie ein ernüchterndes Fazit: „Wenn die Corona-Krise ein Testlauf war für die Arbeitswelt der nächsten Jahre, dann haben die Bewohner der Bienwaldmühle schlechte Karten.“
Endet die Geschichte im kommenden Jahr?
Scheibenhardts Bürgermeister Edwin Diesel (parteilos), dem Frenzel explizit keinen Vorwurf machen möchte, kennt das Problem. Seit vielen Jahren kämpft er, der seit gut 20 Jahren im Amt ist, dafür, dass sich die Situation verbessert. Für Scheibenhardt, das selbst lange von der digitalen Außenwelt abgeschnitten war, ist das mittlerweile gelungen. Nach anfänglichen Problemen laufe die Versorgung durch die Firma Skytron jetzt gut, berichtet er. In diesem Frühjahr schien dann mit dem Anbieter auch eine Lösung für die Bienwaldmühle gefunden zu sein. Am Ende wurde daraus aus Kostengründen aber nichts. „115.000 Euro können wir nicht bezahlen“, sagt er zum Grund des Scheiterns. Die nächste Episode folgte im Juni, als Inexio im Gemeinderat Pläne präsentierte, wonach Scheibenhardt mit schnellem Internet versorgt werden sollte. Abgesehen davon, dass der Ortsteil Bienwaldmühle in der Präsentation mit keinem Wort erwähnt wurde, ist die Zusammenarbeit mit dem saarländischen Breitbandanbieter sowieso schon wieder hinfällig. „Inexio hat einen Rückzieher gemacht“, sagt Diesel kurz und knapp.

 

Trotz aller Rückschläge geben weder die Bienwaldmühler noch der Bürgermeister auf. Und tatsächlich: Es gibt einen erneuten Hoffnungsschimmer. Es habe bereits eine erste Vor-Ort-Begehung und konkrete Gespräche mit der Telekom sowie deren Tochtergesellschaft Deutsche Funkturm gegeben, erklärt Diesel. Stand heute ist vorgesehen, dass auf einem Privatgrundstück in Bienwaldmühle ein Funkturm errichtet wird. Der Eigentümer des Grundstücks ist damit einverstanden, die Verträge werden gerade geschrieben. Diesel hat nach eigener Aussage ein gutes Gefühl bei der Sache. Bis der Turm steht, ziehen wohl „noch sechs bis sieben Monate“ ins Land, sagt er. So lange bräuchte die Telekom Vorlaufzeit. Im Frühjahr 2021 könnte die Geschichte vom digital abgehängten Örtchen mitten im Bienwald also endlich ein gutes Ende nehmen – könnte…