Wunden werden heilen

Patrice Harster ist seit 2003 Geschäftsführer des Eurodistricts PAMINA. Die geschlossenen Grenzen respektive die harten Kontrollen hat der 59-Jährige hautnah an der PAMINA-Zentrale im elsässischen Lauterbourg miterlebt.

Volker Knopf


patrice harsterHerr Harster, wie groß ist die Erleichterung, dass die Grenzkontrollen wieder Geschichte sind?
Patrice Harster: Sehr groß. Das war für alle sehr belastend. Hier bei uns in Lauterbourg war die Grenze komplett dicht. So etwas hätte ich mir niemals vorstellen können. Wir arbeiten ja permanent daran, Grenzen abzubauen, auch in den Köpfen.
 

Apropos Köpfe. Denken Sie, dass etwas von dieser Zeit negativ zurückbleibt? Es ist die Rede davon, dass elsässische Pendler beispielsweise beim Einkauf in Deutschland beschimpft worden sind...
Harster: Die Verantwortlichen jenseits oder diesseits des Rheins waren immer in Kontakt – die Bürgermeister, die Verwaltung. Bei der Bevölkerung könnte es ein wenig länger dauern, bis sich die Verstimmtheit gelegt hat. Ich habe auch schon von Franzosen gehört, dass sie vorerst nicht mehr in Deutschland einkaufen wollen. Aber das ist die Ausnahme und nur ein ganz geringer Prozentsatz. Die Situation wird sich schnell wieder normalisieren. Ich bin Optimist: die Wunden werden wieder heilen. Das wird die deutsch-französische Freundschaft nicht zurückwerfen.

Gibt es auch positive Beispiele der Kooperation während der Krise?
Harster: Auf jeden Fall. Denken sie nur an das Städtische Klinikum in Karlsruhe, das Covid-19-Patienten aus dem Elsass aufgenommen haben. Das haben wir vom PAMINA Eurodistrict gemeinsam mit Klinikleiter Uwe Spetzger und Karlsruhes OB Frank Mentrup in die Wege geleitet. Quasi auf dem kleinen Dienstweg. Es sind gerade die Kontakte auf persönlicher Ebene in der Grenzregion, die so etwas möglich machen.

Durch den Aachener Vertrag gab es Rückenwind für grenzüberschreitende Projekte. Gibt es welche, die während der Covid-19-Krise vorerst auf der Strecke geblieben sind?
Harster: Bei unseren Mobilitäts- und Gesundheitsprojekten haben wir fast drei Monate verloren. Es geht zum einen um die Reaktivierung der Schienenverbindung Rastatt-Haguenau sowie die Idee einer Kooperation der Spitäler in der Region sowie grenzüberschreitende Ärztehäuser in Wissembourg, Haguenau, Bad Bergzabern, Landau und der Region Rastatt. Wir konnten die entsprechenden Sitzungen zur Kostenübernahme und weiteren Themen zunächst nicht über die Bühne bringen, Covid-19 kam dazwischen. Aber mittlerweile haben wir die Konferenz Anfang Juni nachgeholt. Die Verzögerung holen wir so wieder rein. Bis 22. Juni sind Konferenzen mit über zehn Personen in Frankreich untersagt, aber wir nutzen Videotechnik, um die Projekte voranzubringen.

Sie leben in der Nähe von Straßburg. Wie haben Sie den Lockdown in Frankreich erlebt, der ja ungleich härter war als in Deutschland. Zu Beginn waren eine Stunde am Tag Ausgang erlaubt und das nur auf einen Kilometer Entfernung.
Harster: Es war natürlich anstrengend, aber wir haben das gut hingekriegt. Glücklicherweise haben wir einen schönen Garten und ich habe so viel gebastelt wie noch nie in meinem Leben (lacht). Unsere Tochter lebt in Paris, unser Sohn in Straßburg. Kontakt gab es virtuell oder telefonisch. Wie viele habe ich im Homeoffice gearbeitet.

Gerade in der Zeit der Krise hatten Sie sicherlich viele Anfragen von Grenzgängern und Pendlern.
Harster: Ja, das war enorm. Wir hatten 300, 400 Anfragen an unsere Beratungsstelle Infobest. Oft ging es um rechtliche Dinge, aber natürlich war auch manch einer frustriert. Die harten Grenzkontrollen waren ein Thema. PKW-Pendler mussten oft lange warten. Und zuweilen war die Polizei wohl etwas unsensibel im Umgang. Dazu muss man aber sagen: Meist waren es ja nicht Beamte von hier, sondern der Bundespolizei, die mit der Grenzregion nicht vertraut sind. Wenn jemand beispielsweise aus Berlin kommt, kennt er die Situation vor Ort nicht. Nicht anders ist das bei uns in Frankreich, wenn wir nationale Polizei aus Paris im Elsass haben.

Quelle: DIE RHEINPFALZ, Pfälzer Tageblatt - Ausgabe Rheinschiene, Samstag, den 20. Juni 2020