Liebe ist kein Einreisegrund

Welche Regeln derzeit an den drei verbliebenen pfälzisch-elsässischen Grenzübergängen gelten und warum die anderen nur mit leichten Sperren blockiert sind

Von Christoph Hämmelmann

Scheibenhardt/Kaiserslautern. Nur an drei Übergängen dürfen Menschen noch vom Elsass in die Pfalz, alle anderen Verbindungen sind blockiert. Aber die Sperren lassen sich leicht wegräumen, und manchmal tun Leute das auch. Die Bundespolizei erklärt, welche Strafen dafür drohen. Und sie erläutert, warum trotzdem keine massiveren Hürden in den Weg gestellt werden.

Eigentlich hätten das pfälzische Scheibenhardt (Kreis Germersheim) und das elsässische Scheibenhard ein Jubiläum zu feiern, doch ihr 25. Brückenfest Anfang Juni fällt wahrscheinlich aus. Weil Veranstaltungen wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. Und weil die Verbindung zwischen den beiden eng miteinander verwobenen Dörfern, die bis 1815 ein einziger Ort waren, jetzt blockiert ist: Wo die Hauptstraße das Grenzflüsschen Lauter überquert und zur Rue de Tirailleurs Tunisiens wird, verstellt eine Sperre den Weg.

Schließlich hat die Bundesrepublik ihre Grenze weitgehend geschlossen, nur noch die drei pfälzisch-elsässischen Übergänge Bienwald, Schweigen und Hornbach dürfen genutzt werden. Und an denen wacht die Bundespolizei: Ins Land dürfen Nicht-Deutsche nurmehr, wenn sie Ware transportieren. Oder wenn sie Berufspendler sind. Oder wenn sie sonstige „triftige Gründe“ haben. Was sie dazu zählt und vor allem: was nicht, das hat die Bundespolizei inzwischen in einer umfangreichen Beispielfall-Sammlung aufgelistet. Durchfahren darf zum Beispiel: der Bauer aus Frankreich, der ein deutsches Feld beackern will. Der Pferdehalter, dessen Gaul im deutschen Selbstversorgerstall steht. Und der Jagdpächter, der wegen eines Wildunfalls auf deutscher Seite alarmiert wurde. Zurückschickt wird hingegen, wer Freunden beim Umzug helfen möchte. Oder wer seine Kinder sehen will, die beim Ex-Partner und jenseits der Grenze leben. Auch für deutsch-französische Liebes- oder Ehepaare mit getrenntem Wohnsitz kennen die Vorschriften keine Gnade. Denn wenn sie sich treffen wollen, ist das eine Besuchsreise. Und dazu erklärt die Bundespolizei lapidar: „Besuchsreisen sind nicht gestattet.“ Doch eigentlich wären die gestrengen Grenzwächter leicht zu umgehen. Dauerhaft wachen sie schließlich nur an den drei verbliebenen Übergängen. Die anderen Verbindungen blockieren derweil Baustellen-Barrikaden, die sich auch beiseite stellen lassen. Allerdings wäre das illegal. Und es könnte teuer werden: Im Passgesetz schlummert eine Vorschrift, die für so etwas Strafen androht. Denn sie besagt: Wer eine nicht mehr allgemein freigegebene Grenze „außerhalb der zugelassenen Grenzübergangsstellen oder der festgesetzten Verkehrsstunden überschreitet“, der begeht eine Ordnungswidrigkeit. Was mithin auch für den Wanderer gilt, der nur aus Versehen vom einen ins andere Land geraten ist: Bei Fahrlässigkeit werden 55 Euro fällig. Geht sie von voller Absicht aus, fordert die Bundespolizei gleich 250 Euro ein. Und diesen Betrag verdoppelt sie, wenn jemand dabei gar Absperrungen umgangen hat. Im Wiederholungsfall wiederum kann die Buße noch happiger ausfallen, die Obergrenze liegt erst bei 5000 Euro. Doch bislang herrscht an der Grenze Ruhe, sagt ein Sprecher der für den Pfälzer Abschnitt zuständigen Bundespolizeiinspektion in Kaiserslautern. Was auch mit der Situation auf der anderen Seite zu tun haben dürfte: In Frankreich gelten strenge Ausgangsbeschränkungen, die Menschen dürfen nur in Ausnahmefällen vor die Tür. Und wer ohnehin daheimbleiben muss, kommt auch nicht an die Grenze. Und so berichtet auch Markus Keller, der Ortsbürgermeister des südwestpfälzischen Bobenthal mit dem Grenzweiler Sankt Germanshof: Hier ist noch kein einziger illegaler Einreise bemerkt worden – obwohl die kommunalen Ordnungshüter ebenfalls wachsam sind. Scheibenhardts Ortsbürgermeister Edwin Diesel wiederum sagt: Er hat von einem illegalen Grenzübertritt gehört, aber nur von einem einzigen. Rumänen sollen es demnach gewesen sein, die auswichen, nachdem Beamte am Bienwald-Übergang sie abgewiesen hatten. Bedrückend finden die beiden Kommunalpolitiker die Sperren trotzdem. Keller sagt: Dass die Grenze im Moment geschlossen ist, ist angesichts der Krise zwar in Ordnung. Doch er fügt hinzu: „Die lauten Rufe nach strikteren Kontrollen machen mich allerdings nachdenklich. Wir dürfen auch in diesen schweren Zeiten nicht übertrieben nationalstaatlich werden.“ Dabei ist es im Moment sogar für Bürgermeister schwierig, den Kontakt mit Kollegen auf der anderen Seite zu halten. Denn dort waren gerade Kommunalwahlen. Also sind jetzt mancherorts neue Leute am Ruder, die man noch gar nicht richtig kennt. Oder eigentlich schon abgetretene Amtsinhaber harren aus, weil der Nachfolger krisenbedingt nicht übernehmen kann. Aber wenigstens die Feuerwehren dürfen weiterhin über die Grenze eilen, wenn auf der anderen Seite ihre Hilfe gebraucht wird. Das ist laut Bundespolizei und Landesregierung auch der Grund, warum die gesperrten Übergänge nicht noch massiver verrammelt werden: Als Rettungsweg müssen sie leicht freizuräumen sein.

 

Quelle: DIE RHEINPFALZ, Pfälzer Tageblatt - Ausgabe Rheinschiene, Dienstag, den 14. April 2020